Münchner Professor geht mit Markenrecht gegen Kunstfreiheit vor

Aktualisierung 24.2.2020: Wir haben die Sache natürlich durchgezogen. Die Rechtsabteilung der Stadt Stuttgart hat gegenüber den Münchner Anwälten klargestellt: Die HegelMaschine ist Kunst, eine Markenrechtsverletzung ist nicht erkennbar. Wir haben seitdem aus München nichts mehr gehört. – Das tolle an der Sache ist, dass sich hier die Hegelsche Dialektik in der Praxis gezeigt hat: Die HegelMaschine hat ihre eigene Negation hervorgebracht, die sie dann in sich selbst aufgehoben hat. (Ich hatte die Anwaltsschreiben zum Ausstellungsstück im Museum Hegel-Haus gemacht!)

Foto: Michael Seehoff

Der Münchner Professor Simon Hegelich will mit einer Unterlassungsklage die künstlerische Performance „HegelMaschine“ am 14. und 15. Februar im Museum Hegel-Haus Stuttgart verhindern.

Kurator Matthias Gronemeyer wehrt sich vehement gegen diesen Angriff auf die Freiheit der Kunst.

Nun wird die Stadt Stuttgart selbst zur Zielscheibe von Hegelichs Edel-Anwälten.

Am 14. und 15. Februar findet im Stuttgarter Museum Hegel-Haus die philosophisch-künstlerische Performance unter dem Titel „HegelMaschine“ statt, die sich mit den Mitteln von Tanz, Installation, Bildhauerei, Performance und Lichtkunst mit der Philosophie des gebürtigen Stuttgarters Georg Wilhelm Friedrich Hegel auseinandersetzt. Veranstalter ist Ausdrucksreich e.V., kuratiert wird die Veranstaltung von Dr. Matthias Gronemeyer, Autor und Philosoph, der auch selbst als Künstler beteiligt ist. Die Performance wird im Rahmen des Jubiläumsjahres HegelHölderlin2020 vom Kulturamt der Stadt Stuttgart maßgeblich finanziert.

Vorwurf der Markenrechtsverletzung

Am vergangenen Mittwoch, 4.2., erreichte den Kurator Gronemeyer ein anwaltliches Schreiben der Münchner Kanzlei Bird&Bird, in dem er unter Androhung einer Unterlassungsklage aufgefordert wurde, den Titel „HegelMaschine“ nicht zu verwenden. Die Anwälte forderten von Gronemeyer zudem eine Honorar-Erstattung von knapp 2.000 Euro. Begründet wurde das Vorgehen mit einer angeblichen Markenrechtsverletzung: Die von Prof. Hegelich betriebene ddductr. GmbH hatte sich 2019 den Begriff „HegelMaschine“ als Marke für Produkte der sog. Künstlichen Intelligenz schützen lassen.

Rechtsgut Kunstfreiheit wiegt mehr

Gronemeyer weist das Ansinnen zurück: Er selbst benutze den Begriff „Hegelmaschine“ nachweisbar seit 2013 im Rahmen seiner philosophischen Performances. Vor allem handele es sich bei seiner Veranstaltung aber um Kunst – und nicht um irgendwelche Software. Und Kunst ist bekanntlich durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt – ein Rechtsgut, das deutlich höher wiegt als das Markenrecht (wie zuletzt das OLG Düsseldorf, I-20 U 63/14, bekräftigte).

Gronemeyer: „Hier versucht ein Professor, der in Sachen Kunst und Philosophie über allenfalls amateurhafte Kenntnisse verfügt, besonders clever zu sein, und mit einem Begriff, der nachweislich nicht von ihm stammt, andere abzuzocken. ddductr. hat überhaupt kein Produkt am Markt, eine „HegelMaschine“ schon gar nicht. Die Eitelkeit eines Einzelnen schädigt hier die Freiheit von Wissenschaft und Kunst.“

Weil die Künstler sich wehren, geht man nun OB Kuhn an

Nachdem Gronemeyer die Unterlassungsforderung zurückgewiesen hat, sind die Anwälte von Bird&Bird gestern, 11.2., nun die Stadt Stuttgart und Oberbürgermeister Kuhn direkt angegangen. In Ihrem Schreiben wird Gronemeyer des Rechtsbruchs und die Stadt Stuttgart der Mittäterschaft bezichtigt.

Gronemeyer: „Bei mir lief das Telefon heiß. Im Hegel-Haus dachte man schon darüber nach, die Veranstaltung komplett abzusagen. Ich bin wirklich empört.“

Man will weiter standhaft bleiben

Mit den an der Performance beteiligten Künstlerinnen und Künstlern Eva Baumann, Stephan Köperl und Kurt Laurenz Theinert ist sich Gronemeyer einig: „Wir verteidigen die Kunst gegen rücksichtslose kapitalistische Interessen.“