In letzter Zeit haben die Philosophie vom Sex immer wieder Beschwerden erreicht, dass es in dem Buch ja gar nicht ausschließlich um Sex, sondern auch (und zwar mehrheitlich) um Philosophie ginge (wahlweise Kulturgeschichte, Religion, Ökonomie, Wissenschaft). Hier nun daher eine kleine Erzählung, um die erhitzten Gemüter wieder in das ruhige Fahrwasser der Verzweiflung zu führen. Nach Motiven von Roger Caillois („L’Homme et le sacré“) und Georges Bataille („L’Histoire de l’oeuil“). Merke: Der intellektuelle Bezug adelt die Obszönität.
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Die Wanderung
Wir hatten uns auf einer Party in einer Galerie getroffen, die Stadt hatte wieder einmal neue Bilder bekommen. Es war voll und laut und heiß. Ich war mit M. da, wie immer, sie mit einem Neuen, einem schlaksigen Typen, den sie als ihren Freund vorstellte. Wir stießen mit Bier an und ich ging mit ihr vor die Tür zum rauchen. Sie trug eine enge rote Hose mit hohem Bund, die ihre Figur betonte. Ich sah sie öfter in der Stadt auf ihrem Rennrad, in dieser roten Hose, mit zerzausten blonden Haaren. Als wir uns zuvor begrüßt hatten, war ich nicht umhingekommen, ihr einmal über den Hintern zu streicheln. Wir zogen an unseren Kippen und sie fragte mich, was ich gerade so treibe. Ich sagte, mein neues Buch würde demnächst erscheinen. Das heißt, du hast wenig zu tun?, fragte sie. Man muss die Zeit nutzen, sagte ich und dass ich am Mittwoch wandern gehen würde, eine kleine Bergtour, es war endlich warm geworden, eine Woche zuvor hatte es noch einen späten Wintereinbruch mit Schnee gegeben.
Sie fragte, ob ich allein ginge. Ich bejahte. Dann komme ich mit, sagte sie. Wir waren Künstler, nicht an irgendwelche Zeiten gebunden und während die anderen ihren geregelten Dienst am Kapital zu verrichten hatten, konnten wir eben wandern gehen.
Wir trafen uns am kleinen Bahnhof in R., sie hatte einen anderen Zug genommen, kam mit Rucksack und Wanderstiefeln und trug dazu einen leichten Rock in verwaschenen Blautönen, darüber eine Kapuzenjacke. Wir begrüßten uns mit Wangenküssen, wobei ich meine Hand in ihr Hohlkreuz legte und sie ein wenig an mich drückte. Ob ich M. davon erzählt hätte, dass sie mit mir ginge, wollte sie wissen. Nein, sagte ich. Ist sie eifersüchtig? Man müsse nicht alles herausfinden, sagte ich.
Wir gingen los. In den Wald hinein, in das Grün-Gelb-Schwarz. Dass es immer wieder Frühling wurde, war eigentlich kaum auszuhalten. Man denkt jedesmal, das sei alles einmalig, eine nicht wiederkehrende Chance auf das ganz große Leben und während man noch darüber nachdenkt, wird es Sommer und dann ist alles vorbei. Und doch kommt es im nächsten Jahr wieder. So wirst du von der Zeit verarscht.
Ich schaute auf ihre Beine, wie sie sich unterm Rock bewegten. Kennst du den Weg?, fragte sie. Es war uns beiden klar, dass etwas passieren musste. Als wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Wahrheit existiert, bevor sie ausgesprochen wird. Ich bog auf einen schmalen Pfad ab, der steil einen Hang hinauf führte. Es wurde uns schnell warm und wir zogen unsere Jacken aus. Sie trug darunter ein Top und ich sah, dass sie ihre Achseln einige Tage nicht rasiert hatte. Unsere Unterarme berührten sich. Ich zögerte und sie drehte sich um und stieg weiter den Hang hinauf. Für die Metaphysiker ist die Negation eine theoretische Größe, für die Mystiker eine praktische. Ich schaute zu, wie sich ihre Schultern, ihr Rücken, ihr Hintern, ihre Waden vor mir bewegten. Auf dem Kamm angekommen, nahmen wir die Rucksäcke ab, um etwas zu trinken. Ich legte meine Hand auf ihren verschwitzten Rücken, sie drehte sich zu mir. Kam nah an mein Gesicht. Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß, sagte sie. Und schon waren unsere Lippen aufeinander, Zungen im Spiel, wir griffen uns an die Arschbacken und in den Spalt dazwischen. Ich spürte den Knochen unter ihrer Vulva an meinem Schwanz. Schmeckte das Salz auf ihrer Haut. Als sich unser Kuss löste, sah sie mich eine Weile an: Was machen wir jetzt? Wir müssen das Böse abwehren, sagte ich. Der Wald war eine riesige feuchte Möse und eine himmelhohe Erektion, eine einzige Vögelei – und wir mitten darin. Ich erzählte ihr vom Stamm der Tonga, von dem ich kürzlich gelesen hatte, dass er das Böse mit Sex abwehrt. Mit Sex, bei dem es nicht zum Organsmus kommt. Man tut es, aber nur halb. Man hält das Werden auf, um nicht dem Vergehen anheimzufallen. Der Interruptus habe für die Tonga reinigende Kraft, sagte ich. Sie schnappte sich ihren Rucksack. Gehen wir, sagte sie. Der Pfad führte jetzt auf dem Kamm entlang, durch die Bäume sah man in die Niederungen. Wir waren die einzigen Menschen weit und breit. Vielleicht waren es fünf Minuten, dass wir so gingen, oder auch zehn, als sie plötzlich „hier“ sagte und vom Pfad ins Gehölz abbog. Ein Stoß dickerer Äste lag da, aufgeschichtet wie eine Art Altar, bereit für unsere erste rituelle Handlung. Wir drückten uns aneinander, ich schob meine Hand unter ihren Rock, sie knöpfte meine Hose auf, griff meinen Schwanz, der im Nu steif war. Ich hob sie auf das Holz und zog ihr den Slip aus. Er war feucht. Es konnte sofort losgehen. Ihr Mösenhaar war kurzrasiert und stachelig. Es genügten wenige Bewegungen, die mich an den Rand der Verzweiflung brachten. Ich schaute an ihr vorbei in den Wald, sie drückte mich mit ihren Händen auf meinem Arsch an sich. Ich zählte Sekunden herunter. Hielt inne. Holte Luft. Dann lösten wir uns. Ich stand senkrecht und waagerecht wie ein Wegweiser im Wald. Sie grinste mich an. Nicht schlecht, sagte sie. Es dauerte eine Weile, bis meine Erektion so weit abgeklungen war, dass ich die Hose wieder zubekam. Sie hob ihren Slip auf und hängte ihn kopfhoch an einen Zweig. Wir nutzen den öffentlichen Raum, sagte sie, wir müssen ihm etwas zurückgeben. Sie hatte den Zauber verstanden.
Wir nutzten danach jede Gelegenheit. Wir wanderten und alle halbe Stunde vögelten wir. Einmal mussten wir einen Felsen hinaufklettern, ich war vor ihr und als ihr Kopf auf der Höhe meiner Hüfte war, hielt sie mich fest, holte meinen Schwanz aus der Hose und steckte ihn in ihren Mund. Sie hatte rauhe Künstlerhände und der Schweiß lief in zwei zarten Falten ihren Hals herunter. Sex als Reinigung. Über Stunden ein Tanz mit den Dämonen. Wir kamen durch ein Tal mit einem Bach, ein großer Findling bot hier den Altar. Wir verharrten minutenlang vereinigt und lauschten dem Gluckern. Ich muss pissen, sagte sie. Tu es, sagte ich. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Dann schoss ihr heißer Strahl gegen meinen Bauch, warm rann es über meine Eier, lief meine Beine herunter. Es war ein Moment von ungeheurer Zärtlichkeit. Ich konnte mich zurückhalten, während sie alle Schleusen öffnete. Die reinste Magie. Wir wuschen uns anschließend im kalten Wasser, ich hängte meine Hose zum trocknen an den Rucksack und lief in Boxershorts weiter. Man sollte den Kindern beibringen sich anzupinkeln, bevor man sie das erste Mal miteinander vögeln lässt. So begreifen sie die reinigende Kraft des Sexes.
Wir kamen irgendwann auf den Gipfel. Eine sanfte grüne Kuppe tausend Meter über dem Meeresspiegel. Rundumblick. Ich legte mich rücklings auf einen flachen, sonnenwarmen Felsen und sie setzte sich auf mich, richtete mit wenigen Handgriffen meinen Schwanz auf und schob ihn in ihre Möse. Sie war klatschnass. Sie rieb langsam, kaum sichtbar hin und her. Ich schaute in den Himmel und sie in die Landschaft. Ihre geschwollene Vulva umklammerte meinen Schwanz, ihre Haare pieksten. Sie forderte das Böse heraus. Alles in mir pochte. Scheiße Mann. Ich dachte an kalte Fische. Wie lange hielten wir durch? Fünf Minuten oder nur drei? Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Ich erwartete jeden Augenblick den tödlichen Blitz eines zornigen Gottes. Stimmen. Plötzlich hörten wir Stimmen. Ein Rentnerehepaar in beigen Klepperjacken kam den Hauptweg herauf. Sie glitt von mir herunter und setzte sich so neben mich, dass ihr Rock meinen Ständer bedeckte. Wir nickten dem Paar freundlich zu. Sie drehte uns zwei Zigaretten, zündete sie an und gab mir eine. Ich inhalierte tief. Wir haben das Böse besiegt, sagte sie.
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