Mit der Einrichtung eines Registers für Samenspender sollen Kinder aus künstlicher Befruchtung künftig Auskunft über ihre Abstammung erhalten können. Das sei ein Gesetzesvorschlag, in den die Möglichkeit des Missbrauchs bereits angelegt ist, meint der Publizist Matthias Gronemeyer.
Ein zentrales Verzeichnis aller Erzeuger, mit Name, Anschrift, körperlichen Eigenschaften und Testat uneingeschränkter Gesundheit, nebst den durch ihren Samen und in welchem weiblichen Körper gezeugten Nachkommen, so wie man es von den Zuchtbüchern bei Pferden oder Hunden kennt? Klingt ein bisschen nach Nazi-Science-Fiction – ist aber das, was die Bundesregierung im Samenspenderegistergesetzes vorsieht.
Dahinter steht zunächst die gute Absicht, Kindern, die durch sogenannte heterologe Insemination gezeugt wurden, das Wissen um ihre Abstammung zu ermöglichen. Wer allerdings anonym im Ausland gezeugt wurde – und das dürfte Schätzungen zufolge rund die Hälfte der Betroffenen sein, dem nützt das Register nichts. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass die Daten vorrangig deswegen gesammelt werden sollen, weil man sie sammeln kann. Ein zentralisierter Datenbestand ist eben auch immer ein Herrschaftsinstrument.
Alttestamentarischer Abstammungsbegriff
Dem Samenspenderegister liegt ein Abstammungsbegriff zugrunde, der noch aus alttestamentarischen Zeiten stammt und der väterlichen Linie Priorität einräumt: Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda – und so weiter. Im Zeitalter der Reproduktionstechnik, die Sex und Fortpflanzung entkoppelt hat – und damit auch genetisches und bürgerliches Erbe, ist dies ein Anachronismus. Über die Perspektiven eines Kindes entscheidet die soziale Herkunft, nicht die genetische.
Der genetische Vater verflüchtigt sich
Und in dem Maße, wie man von den sozialen bzw. rechtlichen Vätern maximale Anwesenheit gegenüber ihrem Kind einfordert, verflüchtigt sich der genetische Vater in der Datenwolke. Er wird zur Information reduziert – und Information ist etwas anderes als Wissen. Es ist ein Fehler, von der bloßen Verfügbarkeit von Information auf ihre Bedeutung zu schließen. Das Samenspenderegister sieht nämlich gerade nicht vor, dass Erzeuger und Kind sich persönlich kennenlernen; was passiert, wenn beim Spender plötzlich 30 Heranwachsende auf der Matte stehen, ist völlig ungeklärt. Und zu Recht belächeln wir denjenigen, der in seinem Stammbaum nach einem Von und Zu sucht, um sich damit als etwas Besonderes zu stilisieren.
Fallstricke der Informationstechnik
Befeuert wird diese Fokussierung auf die Gene indes von den Protagonisten der Biomedizin, die den Menschen gerne ausschließlich als seinen genetischen Code verstehen. Die Replizierbarkeit und Kopierbarkeit von Code führt aber zu multiplen und manipulierbaren Identitäten – oder löst sie gleich ganz auf. Das lässt sich seit Jahren im Internet beobachten. Niemand fragt danach, wer den Code geschrieben hat, aus dem mein digitales Selbst bei Facebook, Twitter & Co. besteht. Ich will dem Gesetzgeber keine böse Absicht unterstellen, aber die Blindheit gegenüber den Fallstricken der Informationstechnik ist mindestens fahrlässig. Dass dort, wo Daten digitalisiert gesammelt und zentral gespeichert werden, es zu Missbrauch oft nur ein halber Schritt ist, sollte inzwischen jedem klar sein. Wenn sich die Server der CIA hacken lassen, dann das deutsche Samenspenderegister allemal.
Hinzu kommt, dass in dem Register nur genetisch einwandfreie Männer verzeichnet sind, sozusagen Zuchtbullen erster Güte – man mag den Gedanken gar nicht weiter denken. Am Ende bekommt der natürliche Zeugungsvorgang noch den Nimbus von Schmuddelsex, weil er sich der reproduktionsmedizinischen Überprüfung entzieht. Lassen wir es, wie es ist; manchmal ist das Unzulängliche einfach das Bessere.