Einkaufszentren sind eigentlich Unorte, Transiträume, sie kommen mir vor wie Weltraumbahnhöfe, ganz und gar künstlich, belebt von Wesen, von denen ich nicht mit Sicherheit sagen könnte, dass sie alle der Spezies Mensch angehören. Man betritt sie durch Schleusen, automatische Türen, die sich mit einem leicht schleifenden oder satt klackendem Geräusch hinter einem schließen und – kaum dass man ein paar Schritte gegangen ist – verschwinden. Jedes Einkaufszentrum verbirgt seine Ausgänge. Sie wollen, dass du bleibst. Ich betrete ein Einkaufszentrum nie ganz ohne Angst. Einkaufszentren ziehen mich an.
Ich schmähe sie nicht. Ich schaue hin und lasse mich faszinieren. Dabei interessieren mich insbesondere die Menschen (Wesen?), die dort arbeiten. Die Besatzung dieser riesigen Spaces. Wie sie ganz nonchalant mit dem Absurden und Fremden umgehen, so wie eine Raumschiffbesatzung in einem Science-Fiction-Film, die ganz locker mit Außerirdischen kommuniziert. Wie sie sich in der ganzen Artifizialität kleine private Räume schaffen, Charaktere ausbilden, Eigenheiten. Wie sie schön sind.
Diese Erfahrungen gaben den Anstoß zum Projekt Einkaufszentrenliebeslyrik. Dichten an Orten, die dem Gedanken an Lyrik zunächst diametral entgegenzustehen scheinen. Dabei lasse ich mich ganz von der jeweiligen Atmosphäre der Spaces leiten: Jedes Gedicht wird an einem Stück geschrieben und darf – das habe ich mir als Regel auferlegt – anschließend nicht mehr überarbeitet werden. So werden sie ein Teil des Ortes. Ich schreibe in ein Heft oder, wenn es sich einrichten lässt, tippe auf meiner Schreibmaschine.
Gedichte 1 bis 9.