Wenn Europa notorisch nach Westen blickt …

… wird der Südosten zwangsläufig der Arsch.

Wie ist unser Blick auf den Südosten Europas? Verschleiert von Klischees und Vorurteilen. Rumänien und Bulgarien stehen immer noch unter Sonderaufsicht der EU-Kommission: Man traut ihnen nicht zu, welche „von uns“ zu sein. Kaum ein Fernseh-Krimi, in dem nicht serbische Gewaltverbrecher, rumänische Menschenhändler oder albanische Mafia vorkommen. Wie sich im Zuge der Jugoslawien-Kriege die deutschen Medien einseitig gegen Serbien verbündet hatten, ist inzwischen hinreichend dokumentiert. Das Gepöbel gegen die „Pleite-Griechen“ haben wir noch im Ohr. Auf einer Party muss sich niemand für eine geplante USA-Reise rechtfertigen, wenn ich aber sage: Ich gehe wandern im Kosovo, dann ernte ich verstörte Blicke. Gleichzeitig ist Südosteuropa die Region, über die Einwanderer in den Kontinent (den Container) drängen. Während sich der Nordwesten als liberaler Hort der Humanität feiert, macht der Südosten dicht. Und wird wiederum genau dafür moralisch diffamiert. Dieser Zustand droht den Kontinent zu spalten und den europäischen Gedanken ad absurdum zu führen.

Ich halte Lösungsansätze, die sich allein an einem Entwicklungsgedanken hin zu einem Kantischen Ideal orientieren (das der Südosten bitteschön zu erstreben habe), für verfehlt. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir unser Körperbewusstsein unbewusst auf den „body politic“ übertragen, auf die Landschaft, auf und in der wir leben. Ich habe mir dafür das Mythologem des Keuschheitsgürtels gewählt, denn weit davon entfernt, jemals historisches Faktum gewesen zu sein, ist der Keuschheitsgürtel eine Erfindung des 18./19. Jahrhunderts, um im Namen einer angeblich aufgeklärten Vernunft ein angeblich finsteres Mittelalter zu denunzieren (Albrecht Classen, The medieval chastity belt : a myth-making process). Und ebenso hat dieses Vernunftgeschlecht den Körper und seine Lüste (und Ängste) denunziert (man denke nur an die manische Agitation gegen die Selbstbefriedigung). Dies hat sich tief ins „aufgeklärte“ Bewusstsein eingegraben und wirkt nicht nur bis heute nach, sondern scheint sich vielmehr in einer neuen Reinlichkeitsbewegung wieder zu manifestieren (so wird z.B. von facebook und anderen amerikanischen Sozialmedien Sexualität schlichtweg geleugnet). Die Angst vor der Penetration des eigenen Körpers, die in ihrer Übertragung auf die Penetration des Kontinent-Körpers wohlfeil tabuisiert wird, überlässt man dem Südosten (und schilt ihn dafür, so wie man früher ein Kind gescholten hat, das nach „den Dingen da unten“ gefragt hat).

Mit meiner Wander-Performance „-xydinah: A Journey along Europa’s Chastity Belt“ möchte ich auf die verborgenen Geo-Sexualitäten aufmerksam machen. Der vorgeblich liberale Westen soll seinen Blick wenden auf „das da unten“ und erkennen, dass es nicht ein Anderes ist, sondern ein Eigenes. Umgekehrt soll die Reise das ans Licht und ins Bewusstsein bringen, den Menschen Gesicht und Stimme geben, die regelmäßig dem nach Westen gerichteten Blick entgehen.

Sie können diese Aktion ideell und finanziell unterstützen. Mehr dazu unter igg.me/at/xydinah.